Teilchenphysik trifft Medizin

MedaustronFortbildun-Nov15_08Am 09.11.2015 nahmen Prof. Franz Ableidinger und Prof. Ronald Binder an einer Fortbildungsveranstaltung der KPH Wien/Krems im MedAustron, dem neugebauten Zentrum für Ionentherapie in Wr. Neustadt, teil. Physikalische Grundlagenforschung soll in dieser beeindruckenden Anlage in wenigen Monaten dazu beitragen, dass hunderte Menschen pro Jahr, die an Krebs erkrankt sind, gezielt behandelt werden können. Einen Einblick in den derzeitigen Stand der Technik lieferten führende Mitarbeiter von MedAustron.

Im Einführungsvortrag von Dr. Peter Urschütz, dem Leiter der Teilchenbeschleuniger, wurde den 35 Teilnehmer/innen ein Überblick von der Entwicklungsgeschichte bis zum Vollausbau des Therapiezentrums gegeben. Dr. Urschütz erläuterte, dass die Endarbeiten bald abgeschlossen sein werden, sodass im Jahr 2016 mit den ersten ambulanten Patientenbehandlungen begonnen werden kann. Parallel dazu wird das Zentrum weiter ausgebaut, sodass im Vollbetrieb jährlich bis zu 1200 Menschen von der internationalen Spitzenmedizin profitieren können.

Im Anschluss erklärte Dr. Christian Harder, Facharzt für Radioonkologie, die entscheidenden Vorteile der Ionentherapie zur Behandlung von Tumoren in der Nähe von strahlensensiblen Organen, im Vergleich zur Photonentherapie. Durch die besonderen Eigenschaften der geladenen Teilchen können Nebenwirkungen der Krebsbehandlung stark reduziert werden.

Den Abschluss des Vormittages gestaltete Tobias Kulenkampff, einer der Physiker, die in MedAustron für die Inbetriebnahme der Technik rund um die Ionenquelle, den Linearbeschleuniger und das Synchrotron zuständig sind. Er beschrieb den Spagat zwischen der theoretischen und der experimentellen Physik in diesem großen Projekt. Dieser ermöglicht, dass Protonen oder Kohlenstoffionen auf rund 200 000 Kilometer pro Sekunde beschleunigt werden, bevor sie auf eine 100 Meter lange Gerade gebracht und von dort in die vier Bestrahlungsräume eingeleitet werden. Die Patienten können ab dem nächsten Jahr ebendort mit Hilfe eines einzigartigen robotischen Systems millimetergenau zum Ionenstrahl positioniert werden, wodurch die mutierten Zellen punktuell bekämpft werden, während das gesunde Gewebe geschont werden wird.

All diese Anlagen konnten an diesem Vormittag besichtigt werden, da Wartungsarbeiten stattfanden und somit eine mögliche Verstrahlung ausgeschlossen war. Es ergab sich somit eine einzigartige Chance für die Physiklehrer/innen, die aus weiten Teilen Niederösterreichs dafür angereist waren, einen hochmodernen Ableger des großen Teilchenforschungszentrums CERN hautnah zu sehen und die Größenordnungen zu fassen.

Dieses Erlebnis musste in der Mittagspause einmal verdaut werden, bevor am Nachmittag Univ. Prof. Mag. Dr. Leopold Mathelitsch mit dem Thema „Teilchenphysik im kompetenzorientierten Physikunterricht“ den Fortbildungstag ebenso interessant abrundete.